Von Gottes Güte verfolgt: Bibelhebräisches zu Psalm 23

 


 "Ach tov wa chäsed jirdefuni kol jemej chajai weschafti bebejt Adonai le orech jamim". 

Mit einem wundervollen Schlussakkord endet der 23. Psalm. 

"Chäsed", hier übersetzt mit "Güte" - ist ein Begriff, der in der Hebräischen Bibel viele, viele Male vorkommt. Eine regelrechte Chäsed-Spur liesse sich nachzeichnen. Wie ein roter Faden verbindet Chäsed die Erzählungen, Lieder, Gebete und Visionen. 

Chäsed meint nicht nur Güte, sondern auch Gnade, Anmut, Grazie. Chäsed kann nicht eingefordert, wohl aber beglückt und dankbar empfangen werden.  

Chäsed wird mich verfolgen, heisst es in Psalm 23,6 wortwörtlich. Normalerweise wird ist das verwendete Verb mit der Wurzel "Resch, Dalet, Pe" eher negativ verstanden. Hier bekommt es den Klang unverbrüchlicher Zusage: Was auch immer geschehen mag, Gottes Chäsed wird mich finden. Egal was kommt, alle Tage meines Lebens. 

In Gottes Haus, das Haus Adonais, werde ich zurückkehren, "für die Länge der Tage". Diese Lesart folgt dem masoretischen Text der "Biblia Hebraica Stuttgartensia". Luther übersetzt anders: "Ich werde bleiben". Er orientiert sich dabei an der Septuaginta (griechische Übersetzung der Hebräischen Bibel) und der Vulgata (lateinische Übersetzung). 

Der Unterschied ergibt sich aus den fehlenden Vokalzeichen des Urtextes. Hebräisch ist eine Konsonantenschrift. Die Vokale müssen dazu gedacht werden. Dies kann zu Übersetzungsunsicherheiten führen. Oder eben zu kreativen Variationsmöglichkeiten. 

Bleiben oder zurückkehren in Gottes Haus: beide Übersetzungsmöglichkeiten haben ihren tieferen, ihren tröstlichen Sinn. 



Damit sind wir am Ende unserer kleinen Lernreise zu Psalm 23 angekommen. 

Hat es Euch gefallen? 

Wenn Ihr Lust habt, schreibt einen Kommentar. Hier oder unter heike.dreisbach@kirchenkreis-siegen.de Ich freue mich über Euer Feedback! Habt eine gesegnete Woche!  


 

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Du möchstest Psalm 23 gern im Original-Wortlaut hören? Für unseren Kurs haben wir ein kleines Video erstellt. Hier kannst Du es Dir anschauen:



Kommentare

  1. Es gibt übrigens noch eine dritte Übersetzungsvariante:
    Luther übersetzt bekanntermaßen: “Ich werde bleiben (we-schib-ti) im Hause des HErrn immerdar!” Nichts also kann mich vertreiben. Hier darf ich sein und bleiben. Bei Martin Buber, dem großen jüdischen Religionsphilosoph, findet sich die andere Möglichkeit: “Ich werde zurückkehren (we-schab-ti)!” Auch das schön und wunderbar tiefsinnig. Die Tür Gottes ist für mich offen. Und eine dritte mögliche Übersetzung schließlich lautet: Ich werde feiern (we-schaba-ti ; darin steckt das uns bekannte Wort Schabat)!” Lebensfreude pur also. Ich darf es mir gut gehen lassen.
    So möchte auch ich gar nicht zwischen den einzelnen Vokalisierungen und damit Übersetzungen (ent)scheiden. Sie alle drei haben ihr gutes Recht. Ja, das ist wahr: „Chäsed, Gutes und Barmherzigkeit, werden mir folgen mein Leben lang. Und ich werde bleiben, ich werde zurückkehren, ich werde feiern im Hause des Adonais immerdar!“

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    1. Lieber Wolfgang W: Das ist eine wunderbare Ergänzung, vielen Dank! Ja, das ist ein großer Trost und eine große Freude, gerade in diesem Dreiklang!

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